Berlin-Lichtenrade – Brandenburger Tor
Distanz: 24,6 km – Aufstiege: 130 HM – Abstiege: 93 HM
Heute ist mein letzter Wandertag. Das Frühstück mit Birgit und Manfred genieße ich. Doch noch bin ich nicht in der Stimmung für das Ende meiner Wanderung. Irgendwie ist es noch wie immer.
Birgit bringt mich in die Nähe der Autobahnauffahrt. Leider achte ich nicht auf mein Navi und bin schon wieder auf der Brücke über die Spree. Dann erst merke ich meinen Fehler. Auf der heutigen Etappe wandere ich zwischen Teltowkanal und Autobahn weiter. Ich habe die Zeit des Berufsverkehrs erwischt. In beiden Richtungen rasen viele Radfahrer an mir vorbei. Ich empfinde das Verhalten einiger Radfahrer als sehr aggressiv. Zwei Motorradpolizisten begegnen mir auch. Als mir ein alter Mann mit seinem kleinen Hund entgegenkommt, frage ich ihn, ob er die Fahrweise einiger Radfahrer auch als sehr aggressiv empfindet. Er bestätigt mir das und erzählt, dass er auch schon angeschrien wurde, was er hier zu suchen hat. Die zwei Motorradpolizisten hat er auch gesehen. Das ist in den vielen Jahren, seit er hier entlang läuft, das erste Mal.
Unter einer Autobahnbrücke wechsel ich auf den Britzer Verbindungskanal. Wenig später überquere ich ihn und wandere wieder in einem Grüngürtel von Berlin. Als ich diesen verlasse, bin ich in Neukölln angelangt. Überall entstehen neue Wohnungen oder Altbauten werden renoviert. Allerdings habe ich den Eindruck, das sind alles teure Wohnungen. Den Ortsteil Kreuzberg erreiche ich zur Mittagszeit. Überall junge Leute auf dem Weg zu den unglaublich vielen Restaurants und Imbisse. Ich kehre auch ein und genieße einen Flammkuchen.
Kreuzberg verlasse ich über die markante Oberbaumbrücke zum Ortsteil Friedrichshain. Hier gab es früher einen Grenzübergang von West nach Ost. Nach der Brücke führt meine Route mich an der Spree entlang und zur East Side Gallery. Im Frühjahr 1990 wurde ein 1300 Meter langes Teilstück der Mauer von 118 Künstlern bemalt. Bei meiner Anreise nach Berlin war ich mit dem Oldtimer bereits hier.
Bei der nächsten Brücke, der Schillingbrücke, überquere ich wieder die Spree. Nun bin ich im Zentrum von Berlin. Schon wenig später stehe ich vor einer geöffneten Tür mit Blick in eine kleine aber edele Schuhmanufaktur. Hier entstehen nur handgefertigte Maßschuhe. Ich darf im Raum fotografieren. Die Meisterschuh-Manufaktur besteht schon 30 Jahre.
Mein Weg auf der Zimmerstraße führt direkt am Checkpoint Charlie vorbei. Hier war der berühmte Grenzübergang mit der amerikanischen Kontrollstelle. Vor der originaltreuen Nachbildung des Grenzgebäudes werden in einem Leuchtkasten auf einer Säule zwei überlebensgroße farbige Porträts mit je nach Blickrichtung ein junger amerikanischer oder sowjetischer Soldat angezeigt. Zu beiden Seiten des Gebäudes lassen sich Touristen fotografieren. Ebenfalls in unmittelbarer Nähe verschieden Museen zum Thema Berliner Mauer. Noch auf der Zimmerstraße komme ich an einem vollständig ausgebrannten großen Mercedes vorbei. In der Nacht wurden mehrere Fahrzeuge in Brand gesetzt. Vorbei komme ich am Potsdamer Platz und am Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Hier stehen 2711 Beton-Stelen zur Mahnung an den Holocaust.
Dann erreiche ich seitlich vor mir das Brandenburger Tor. Erst jetzt wird mir bewusst, das war es mit meinem Wanderprojekt. Vor dem Brandenburger Tor wimmelt es von Touristen. Es kommt mir vor wie auf meinem zweiten Jakobsweg vor der Kathedrale in Santiago. Das Gewusel damals – es waren viele Touristen auf dem Platz vor der Kathedrale – wie heute unterdrückt ein bisschen meine freudige Stimmung.
Ich lasse mich einmal zur Dokumentation mit etwas Abstand zum Tor fotografieren. Im Zeitalter der Smartphon-Fotografie kennt man scheinbar nicht mehr einen Sucher bei einer richtigen Kamera. Mit Abstand schaut die von mir gebetene Person durch den Sucher. Ich bin froh, überhaupt ein einigermaßen vernünftiges Foto zu bekommen, auch wenn meine Füße im Foto abgeschnitten wurden.
Meine Unterkunft erreiche ich mit der S-Bahn. Die Rezeption ist nicht mehr besetzt, man hat mir für die Schlüsselbox den Code per SMS zugeschickt. In der Nähe gibt es einen Laden mit Poststelle. Dort esse ich ein Stück Kuchen und kaufe Mineralwasser für heute Abend. Im Zimmer wird mir erst so richtig klar, nur noch einmal morgen früh mit dem Rucksack zur anderen Unterkunft. Dann setzte ich nur noch für meine Rückreise den Rucksack auf. Wieder einmal war der Rucksack ein Bestandteil meines täglichen Lebens. Das Gewicht habe ich kaum noch wahrgenommen. Der tägliche Rhythmus aufstehen, frühstücken, Rucksack aufsetzen und los ist zur Gewohnheit geworden. Ich habe alle meine gesteckten Ziele erreicht. Bis dahin war es die Pflicht. Und diese Pflicht war in weiten Teilen wunderbar. Das Suchen nach Unterkünften hat mich nur zeitweise abends und an Pausentagen belastet. Tagsüber wandernd konnte ich das wunderbar vergessen. Nun beginnt die Kür. Ich werde die Tage in Berlin als Abschluss genießen
Eine Zusammenfassung des Berlinaufenthalts mit Bildern folgt noch auf meiner Webseite. Genauso ein Resümee mit ein bisschen Statistik.
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